Otto Raich am 21. Jänner 2025

Auszug und Zusammenfassung der Podiumsdiskussion mit Jon Kabat-Zinn & Yuval Noah Harari, moderiert von Soren Gordhamer am September 12, 2024 in New York City.

„Mindfulness, AI and the Future of Humanity“

Yuval Noah Harari ist israelischer Historiker und Hochschullehrer.
Autor ua von „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und von „Nexus. Eine kurze Geschichte der Informationsnetzwerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz.“
Jon Kabat-Zinn ist Professor an der University of Massachusetts Medical School in Worcester und Begründer der MBSR Methode. Er unterrichtet Achtsamkeitsmeditation, um Menschen zu helfen, besser mit Stress, Angst und Krankheiten umgehen zu können.
Soren Gordhamer ist der Gründer von Wisdom 2.0, das Veranstaltungen zum Thema Achtsamkeit und Technologie durchführt. Er hat mehrere Bücher zum Thema Achtsamkeit geschrieben.

Hier der Link zur Aufzeichnung der Diskussion in voller Länge:

Einigkeit herrscht darüber, dass es nicht die Frage ist, ob KI (Künstliche Intelligenz, engl. AI) und Technologie Teile des künftigen Lebens sein werden, sondern die Frage lautet eher, ob es gelingt Technologien zu schaffen, die menschliches Gedeihen und die Verbundenheit fördern, oder ob die Technologien Abhängigkeit, Isolation und Polarisierung verstärken werden.

Was es für eine positive Entwicklung braucht, ist ein hohes Bewusstsein über die Dynamiken, die im Menschen im Umgang mit der Technologie, an der Schnittstelle von analogem und digitalem Leben, entstehen.


Viele der heute in Social Media eingesetzten Algorithmen sind programmiert um „user engagement“ zu maximieren, also die Interaktionen der Nutzer auf der Plattform zu erhöhen und die Nutzer maximal lange auf der Plattform zu halten.

Wobei die eingesetzten Algorithmen selbstlernende sind, dh der Algorithmus beobachtet, welche Inhalte die Nutzer dazu bewegen, auf der Plattform zu bleiben und zu interagieren. Da Inhalte, die Gefühle von Gier, Hass und Gewalt darstellen und diese Gefühle in Nutzern wachrufen, jene sind, die Nutzer am ehesten zum Bleiben und um Interagieren motivieren, lernt der Algorithmus dies und schlägt immer mehr Inhalte, welche auf Gier, Hass und Gewalt basieren, vor.

Der „Like Button“ ist ein digitalisiertes Element, dass einen zutiefst automatisierten Aspekt des menschlichen Bewusstseins bzw Verstandes (besser engl. „Mind“) nachbildet, nämlich die ständige Bewertung der Wahrnehmungen in „mag ich“ / „mag ich nicht“. 

Nicht nur der Buddhismus, sondern nahezu alle religiösen und spirituellen Traditionen erkennen im ständigen Bemühen, Angenehmes zu vermehren und Unangenehmes zu vermeiden, eine der Wurzeln menschlichen Leides. Dieser leiderzeugende Prozess wurde in der digitalen Welt leider auch mit den „Like Button“ nachgebildet.

Menschen sind organische Wesen, sie brauchen Zyklen und Leben in Zyklen, ZB Anspannung und Entspannung, Arbeit und Pause, Wachsein und Schlaf.

Digitale Technologie hat als anorganisches System diese Zyklen nicht, braucht keine Pausen, keine Ruhezeiten, keine Erholung, IST IMMER ON.

Da das menschliche Leben immer tiefer mit den digitalen Technologien verwoben ist, steigt der Anspruch oder auch der Drang danach, selbst AUCH IMMER ON zu sein. Immer ON zu sein ist für den Menschen aber schlicht unmöglich und die Verneinung dieser Tatsache führt auf einen sehr ungesunden Weg.

Yuval Noah Harari und Jon Kabat-Zinn haben beide langjährige Erfahrung mit einer täglichen, persönlichen Meditationspraxis und sehen die Meditationspraxis als das wirksame Antidot, das wirksame „Gegengift“ zu den beschriebenen toxischen Potentialen bzw Gefahren an der Schnittstelle zwischen analogem und digitalem Leben.

Meditation ist eine wirksame Methode, sich um sich selbst als ein zutiefst analoges Wesen zu kümmern, um das eigene Wohl und das Gemeinwohl zu schützen, zu steigern und um Leid zu verringern.

Meditation und Achtsamkeit können als „Superpower“ eingesetzt werden, um mit den Herausforderungen, die ein Leben mit digitaler Technologie, Algorithmen und KI mit sich bringt, umzugehen.

Meditation als Weg, den eigenen Geist, den Verstand, die eigene Gedankenwelt, die Bedürfnisse zutiefst kennenzulernen, und in diesem bewusst-werden der eigenen Gedanken die Wahlfreiheit zu erlangen. Insofern ist das Erkennen des „eigenen Inneren“ die Antidode zum Gefühl des „gefangen-Sein im Netz“.

Einen großen Stellenwert auf dem Weg der Bewusstwerdung hat der menschliche Körper.

Unseren Körper können wir fühlen, wir können mit unserer Aufmerksamkeit von der Ebene des Denkens zur Ebene des Körpers wechseln.

Was Menschen unterscheidet, sind die Geschichten, die Stories. Auf der Ebene der Körper sind wir gleich. Unterschiedliche Geschichten, aufgeladen durch KI, führen uns in unterschiedliche Richtungen und verstärken die Uneinigkeit. Dies ist zur Zeit sehr sichtbar in der wachsenden Polarisierung der Gesellschaft.

Der Weg unserer Aufmerksamkeit zum Körper, zum Fühlen, eint uns, führt zum Erkennen von Einheit.

Hier einige Zitate aus der Diskussion in Zusammenhang mit Meditation:

„Meditation ist die Befreiung vom Like-Button“.

„Meditation erinnert dich an deine analoge, geheimnisvolle Ganzheit.“

„Erkenne deinen Geist zum Wohle aller fühlenden Wesen“

„Es gibt keine Short-cuts beim Bewusst-werden, soviel (Meditation) wie du investierst, soviel (Freiheit) bekommst Du.“

Ein weiteres Conclusio der Diskussion ist die Frage:

„Wie kann es gelingen, dass KI und Algorithmen so programmiert sind, dass Liebe, Mitgefühl und Einheit gesteigert, Gier, Hass und Polarisierung vermindert werden?“

Hier der Link zur Aufzeichnung der Diskussion in voller Länge:



Titelbild: Screenshot Youtube Video